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Würzberger kath. Sonntagsblatt Nr.7 18.02.2001

Fledermäuse - die treuesten Kirchenbesucher

Hochsommer in einer kleinen Stadt in Unterfranken: die Kirche wird saniert, das Dach ist bereits halb abgedeckt. Die Handwerker sind bei ihrer Arbeit in luftiger Höhe nicht allein: Fledermäuse umschwirren sie. Aufgeregt fliegen die Tiere hin und her, während das Loch im Dach, ihrem bisherigen Versteck, immer größer wird. Einige der Fledermausweibchen tragen an ihrem Bauch winzige Junge mit sich. Durch die große Aufregung in der Kolonie sind aber auch schon Neugeborene auf den Boden des Dachstuhles abgestürzt und verendet.
Diese tatsächliche Begebenheit schildert eine Katastrophe für Kirchenbesucher, die durch ihre heimliche Lebensweise häufig übersehen werden: Fledermäuse. Sie finden - neben anderen gefährdeten Tierarten, wie Eulen, Dohlen oder Mauersegler - in letzter Zeit wieder vermehrt "Asyl" im Gebälk unserer Kirchen.
Die Kenntnisse über die Lebensweise der Fledermäuse, über ihren gesetzlichen Schutz und den richtigen Umgang mit diesen einzigartigen fliegenden Säugetieren sind nach wie vor lückenhaft. So halten sich bei manchen Zeitgenossen hartnäckig alte Vorurteile. Doch sind alle rund 20 (!) in Bayern regelmäßig vorkommenden Arten dieser Tiergruppe völlig harmlos. Sie ernähren sich ausschließlich von Insekten und anderen Gliedertieren und machen sich dadurch aus menschlicher Sicht sogar ausgesprochen nützlich.
Nur ein oder zwei Junge pro Jahr
Für ihre geringe Größe - der Körper der meisten Arten ist kaum daumenlang - sind Fledermäuse wahre Methusalems: Sie können über 20 Jahre alt werden. Diese Langlebigkeit schafft einen Ausgleich für die geringe Nachwuchsrate. Jedes Weibchen bringt nur ein oder zwei Junge pro Jahr zu Welt. Die werdenden Mütter sammeln sich im Frühsommer in sogenannten Wochenstuben, die je nach Art aus über 100 Tieren bestehen können. Die zunächst nackten und blinden Fledermausbabys werden ungefähr vier bis sechs Wochen von ihren Müttern gesäugt, bis sie in der Lage sind, selbst Insekten zu erbeuten. Die Geburten erfolgen im Juni, schon im August können die Jungtiere selbstständig fliegen und jagen. Die Männchen sind die meiste Zeit des Jahres Einzelgänger.
Geeignete Wochenstubenquartier werden jedes Jahr wieder aufgesucht, wobei junge Weibchen an den Ort ihrer Geburt zurückkehren, um dort die eigenen Jungen aufzuziehen. Die intensive Bindung der Tiere an ein günstiges Quartier bringt es mit sich, dass große Kolonien häufig über viele Jahrzehnte ein und denselben Hangplatz nutzen. Durch die Sicherung dieses zentralen Fortpflanzungsquartiers lassen sich die Fledermäuse eines großen Einzugsgebietes schützen. Den Pfarrgemeinden kommt als Quartiereigentümern daher eine große Verantwortung zu.

Großes Mausohr - die klassische Kirchenfledermaus
Foto: privat

Stark gefährdet und streng geschützt
Was Kirchen und Klöster für Fledermäuse so anziehend macht, ist zum einen der große, warme und meist völlig ungestörte Speicher, zum anderen aber auch das gute Insektenangebot in den umliegenden Gärten und Wäldern. Typische Kulturfolger sind beispielsweise das Große Mausohr und das Braune Langohr. Gerade als Kulturfolger aber haben es Fledermäuse heute schwer: Ihre Quartiere werden renoviert, verputzt, gesäubert, mit giftigen Holzschutzmitteln behandelt oder "ordentlich" hergerichtet. Zum Teil werden die nützlichen Insektenfresser sogar noch als "Ungeziefer" verfolgt. Der Rückgang der Insekten in unserer Kulturlandschaft hat zudem ihre Nahrungsgrundlage drastisch geschmälert. Kein Wunder, dass die Bestände vieler Fledermausarten in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen haben, und manche unmittelbar vom Aussterben bedroht sind. Inzwischen stehen alle heimischen Fledermausarten auf der Roten Liste gefährdeter Tiere und sind streng geschützt. So ist es gesetzlich verboten, sie zu fangen, zu töten oder ihre Wohn oder Zufluchtsstätten zu beschädigen oder gar zu zerstören.
Gerade uns Christen kommt im Rahmen unserer Schöpfungsverantwortung die Aufgabe zu, diese Mitgeschöpfe nicht nur zu dulden, sondern sie im Rahmen unserer Möglichkeiten auch zu fördern und anderen darin als gutes Beispiel zu dienen. "Ein ganz anderes Feld, in dem die Kirche als Besitzerin von Gebäuden Verantwortung trägt, ist der Artenschutz. So sind beispielsweise Kirchtürme und Dachstühle von Kirchen und Klöstern wichtige Lebensräume für Fledermäuse, Dohlen, Turmfalken und Störche. In Zusammenarbeit mit Fachleuten aus dem staatlichen und verbandlichen Naturschutz werden bestehende Lebensräume erfasst, gepflegt und neu geschaffen." So heißt es beispielsweise im Wort der deutschen Bischöfe "Handeln für die Zukunft der Schöpfung" vom Oktober 1998.
Natürlich verhindern Fledermäuse eine notwendige Sanierung nicht, genausowenig wie sie Gebäudeschäden verursachen! Bei frühzeitiger Planung lassen sich jedoch immer Lösungen finden, die sowohl den Belangen der Bauerhaltung als auch des Artenschutzes gerecht werden. So liefern die Koordinationsstellen für den Fledermausschutz in Nord- und Südbayern Informationen zur Erhaltung dieser bedrohten Tiergruppe. In nahezu allen Landkreisen Bayerns engagieren sich zudem Einzelpersonen und die Kreis- und Ortsgruppen der Naturschutzverbände (Landesbund für Vogelschutz, Bund Naturschutz) ehrenamtlich für den Fledermausschutz. Daneben stehen auch die Naturschutzbehörden für konkrete Hilfe zur Verfügung. Gehen Schutzmaßnahmen über das vom Gesetzgeber geforderte Maß hinaus, findet also eine Verbesserung statt, können die Mehrkosten auf Antrag durch die Naturschutzbehörden auch bezuschusst werden.
Sobald Reparaturen am Dach einer von Fledermäusen bewohnten Kirche anstehen, sollten umgehend Spezialisten herangezogen werden. Besonders wichtig ist es, die Ein- und Ausflugöffnung(en) der Tiere zu kennen und zu erhalten. Bereits eine gedankenlos verschlossene Dachluke kann Hunderte Mausohren im Dachboden einschließen und dem Hungertod aussetzen. "Fledermausgerechte" Renovierungen umfassen ungiftige Holzschutzmaßnahmen, die Verschiebung kritischer Arbeiten auf den Herbst oder das Absperren von Teilbereichen des Dachstuhls. Besonders zur Zeit der Jungenaufzucht von Mai bis August brauchen die Fledermausweibchen absolute Ruhe, da sonst die neu geborenen Jungtiere eines ganzen Jahres umkommen können.
Segensreicher Mist
Im Winterhalbjahr sind unsere Kirchendachböden verwaist. Die Tiere haben sich in Höhlen, Keller oder dicke hohle Bäume zurückgezogen, um Winterschlaf zu halten. In der sechsmonatigen, nahrungslose Zeit zehren sie von ihren Fettreserven. Die Körpertemperatur sinkt, Atemtätigkeit und Herzschlag werden stark verringert.
Der Winter ist auch die günstigste Zeit, die Hinterlassenschaften der Tiere zu entfernen. Der Fledermauskot besteht aus den unverdaulichen Resten der Insekten. Er ist ein hervorragender Pflanzendünger und kann von Landwirten auf Feldern ausgebracht oder aber als Dünger von Tomaten, Zucchini oder Kürbissen genutzt werden. Es gibt sogar Pfarrgemeinden, die den segensreichen Mist auf Pfarrfesten an Gartenfreunde verkaufen.
Aufruf zur Mitarbeit
Die Kenntnis der Kolonien ist eine entscheidende Voraussetzung für ihren Schutz. Auch tote oder verletzte Tiere können wichtige Hinweise auf bislang unentdeckte Vorkommen geben. Fledermausvorkommen sollten daher an die lokalen Naturschutzverbände oder die Koordinationsstelle gemeldet werden. Auch der Umweltbeauftragte des Bistums Würzburg, Edmund Gumpert, gibt Rat und Auskunft. Die Pfarrgemeinden sollten auch in Zukunft ihre schützende Hand über die kleinen Untermieter halten. Die Tierwelt dankt es mit "gut besuchten" Gotteshäusern.
Matthias Hammer
Dipl.-Biol. Koordinationsstelle für den Fledermausschutz in Nordbayern